19. April 2014

 

Liebe Friedensfreundinnen und –freunde,

 

wir verbinden den Ostermarsch-Auftakt mit dem Gedenken an historische Ereignisse: Vor hundert Jahren wurde der 1. Weltkrieg begonnen, und vor 75 Jahren der 2. Weltkrieg. Gibt uns die Geschichte den Zeitrahmen vor, so ist nicht einfach, in unserer Stadt einen passenden Ort des Gedenkens zu finden, und ich hoffe, die eine oder der andere findet unsere Wahl zumindest erklärungsbedürftig.

 

Mit Beginn des 1. Weltkriegs marschierten deutsche Truppen im August 1914 in die neutralen Nachbarstaaten Luxemburg und Belgien ein. Der Plan, auf diesem Weg möglichst rasch bis nach Paris vorzustoßen, scheiterte am Widerstand französischer und britischer Truppen. Um einen Durchbruch dennoch zu erzwingen, wurden im November 1914 in großer Zahl junge Kriegsfreiwillige, vor allem Schüler und Studenten, kaum ausgebildet ins Kriegsgeschehen geworfen. Allein am 10. November wurden junge Menschen in der Nähe der belgischen Ortschaft Langemark schutzlos in gegnerisches Maschinengewehrfeuer gejagt, etwa 2000 starben im Kugelhagel. In diesem Herbst 1914 saßen an der Westfront die Truppen bereits fest, es begann der Stellungskrieg mit all seinen fürchterlichen Folgen, den die herrschenden Kräfte dennoch fast vier Jahre fortsetzen ließen.

 

Jedes Gedenken formt die historischen Ereignisse neu durch die jeweilige Interpretation. Jedes Gedenken sagt daher oft mehr über den, der da erinnert oder nachdenkt, als über die historischen Ereignisse selbst. Die oberste Heeresleitung des deutschen Kaiserreichs gedachte der toten Soldaten von Langemarck, indem sie behauptete, sie wären mit dem Deutschlandlied auf den Lippen für´s Vaterland gestorben. Die deutschen Faschisten gaben dieser Interpretation Raum mit der Errichtung von Denkmälern und der Benennung von Straßen und Plätzen nach der Ortschaft Langemarck. Diese Herrschaften hatten ein Interesse am Krieg.

 

Kriegsgegner aller Generationen seit 1914 hingegen interpretierten Langemarck als Symbol eines vollkommen sinnlosen Kriegsgeschehens, einer nicht mehr zu steigernden Grausamkeit und Verachtung des Menschen. Nie wieder Krieg! wurde zur Losung all jener, die ein Interesse an Frieden und Völkerverständigung hatten. So kam es in den 1980er Jahren zwar nicht zur Umbenennung dieses Platzes, aber zur Errichtung zweier Gedenksteine, die der Trauer und dem Friedenswillen Ausdruck geben. Der größere ist von der Kommune Erlangen errichtet und gehörte gepflegt, der zweite am anderen Ende des Grünstreifens stammt von der DGB-Jugend. Für eine Umbenennung des Platzes hat sich damals übrigens an hervorragender Stelle die kürzlich verstorbene Claudia Bittner eingesetzt. Und ich glaube, wir sollten dieses Anliegen im Gedenkjahr 2014 wieder aufnehmen und an den Stadtrat herantragen.

 

Im Wissen um die sehr unterschiedlichen Interpretationen der Geschichte haben wir diesen Platz bewusst gewählt. Wir wollen Position beziehen, auch angesichts der aktuellen Krisen und Kriege.

 

Es gibt in Deutschland keinen Kundus-Platz und keine Oberst-Klein-Straße. Die Bevölkerung ist mehrheitlich gegen die Kriegseinsätze der Bundeswehr, und würde das nicht dulden. Die Regierenden aber haben am Dienstsitz des Verteidigungsministeriums Bendlerblock in Berlin ein Ehrenmal für die Gefallenen der Bundeswehr aufgestellt. Nicht für die Kriegstoten in aller Welt, nicht für die Flüchtlinge und von Elend Betroffenen, nicht für die Opfer deutscher Rüstungsexporte. Eingeweiht wurde das Ehrenmal 2009 durch den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, der Militäreinsätze für freie Handelswege als notwendig erachtete, und wegen öffentlicher Kritik an dieser Meinung zurücktrat. Nun, auch der derzeitige Bundespräsident Gauck forderte auf der Münchner Sicherheitskonferenz das Ende der Kultur der Zurückhaltung bei Militäreinsätzen. Die Verteidigungsministerin von der Leyen fordert NATO-Präsenz an den Außengrenzen. Und sie entsendet in einer höchst zugespitzten Situation rund um die Krise in der Ukraine Jagdflugzeuge der deutschen Luftwaffe für die Sicherung des Luftraums über dem Baltikum.  

 

Wir haben diesen Platz bewusst gewählt, weil wir weder die Form dieses Gedenkens im Bendlerblock teilen noch die zum Krieg treibenden Reden und Handlungen der deutschen Regierung. Wir knüpfen an das Versprechen an, das 1945 unseren Nachbarn gegeben wurde: Nie wieder Krieg! Der Kranz wird hoffentlich eine Weile hier liegen bleiben. Und noch mehr hoffe ich, dass der Friedenswille der Bevölkerung wieder eine lauter und deutlicher vernehmbare Tonlage gewinnt. Wir wollen unsere Straßen und Plätze nicht den Kriegstreibern überlassen.

 

Nie wieder Krieg!

 

Isa Paape