Rede Anti-Nazi-Kundgebung von Marius Köstner vom Bürgerforum Gräfenberg

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,

herzlichen Dank, dass Sie heute den Weg hierher gefunden haben, dass sie diesen Protest unterstützen. Mein Name ist Marius, ich bin Mitglied des Bürgerforums Gräfenberg und wurde gebeten hier ein paar Worte zu sagen. Ich muss hier wohl erst einmal klarstellen, dass das Bürgerforum nicht der Anmelder dieser Kundgebung ist und auch die Organisation nicht bei uns liegt. Hierfür möchte ich mich ganz herzlich bei Werner Lutz bedanken! Ich bin aber sehr froh, dass wir hier kurz sprechen können.

Also: Keine Angst: Das hier ist keine Demo des Bürgerforums Gräfenberg – sie müssen nicht damit rechnen, dass sie ab heute alle zwei Wochen einen Nazi-Aufmarsch haben.

So wie es den anderen Rednern sicherlich auch gehen wird, weiß ich kaum was ich sagen soll.

Über Jahre war es Neonazis möglich gezielt Morde durchzuführen. Es ist schockierend, dass sämtliche Ermittlungsbehörden dabei vollkommen versagt haben.

Aber: Worüber wundern wir uns gerade? Es wird von einer neuen Dimension gesprochen, aber wo genau ist diese neue Dimension? Es wurden Menschen durch Neonazis ermordet. Es wurden seit 1990 über 150 Menschen von Neonazis ermordet! Es gab Bombenanschläge, wie das Oktoberfest-Attentat. In München wurde ein neonazistischer Anschlag auf die Grundsteinlegung der Synagoge verhindert.

Ich bin schockiert, dass eine Nazi-Bande mordend durch das Land ziehen kann, aber eine fundamental neue Dimension kann ich hierbei nicht wahrnehmen.

Leider sind auch die Reflexe immer wieder die gleichen: Ein NPD-Verbot wird gefordert. Wofür es sicherlich sehr gute Argumente dafür und dagegen gibt. Aber an dieser Stelle ist so eine Debatte nicht zielführend.

Wir brauchen keine Verbotsdebatte, wir brauchen eine öffentliche Debatte über den Rassismus in diesem Land, oder allgemein über die Menschenfeindlichkeit. Es sind nicht nur MigrantInnen die Opfer rechter Gewalt werden!

Wir brauchen keine zusätzliche Datenspeicherung, wir müssen die aktuellen Strukturen hinterfragen. Ob V-Männer noch einen Sinn haben, ob sie überhaupt je einen hatten. Das sind keine Beamten! Das sind Nazis, die Geld bekommen!

Wir brauchen eine demokratische Kontrolle des Verfassungsschutzes. Diese ist im Moment nicht gewährleistet!

Diese Kundgebung kann auch für die Region nur ein erster Schritt sein. Wir müssen an dieser Stelle Druck auf die Politik ausüben, denn ansonsten werden sämtliche Bemühungen im Sand verlaufen. Eigentlich müssen wir hier jede Woche stehen und unsere Meinung kundtun, bis endlich was passiert.

Erinnern sie sich an die Aussagen des Ministerpräsidenten in Norwegen: Unsere Antwort lautet mehr Demokratie! Mehr Freiheit! Wir müssen für die positiven Werte einstehen und endlich über die Menschenfeindlichkeit in diesem Land sprechen!

Als Ausblick verweise ich noch auf einen Liedtext einer Neonazi-Band. Wie ist danach erklärbar, dass man in diese Richtung nicht weiter ermittelt hat?

“Neun mal hat er es jetzt schon getan. Die SoKo Bosporus, sie schlägt Alarm. Die Ermittler stehen unter Strom. Eine blutige Spur und keiner stoppt das Phantom. Sie drehen durch, weil man ihn nicht findet. Er kommt, er tötet und er verschwindet. Spannender als jeder Thriller, sie jagen den Döner-Killer. [...] Am Dönerstand herrschen Angst und Schrecken. Kommt er vorbei, müssen sie verrecken. Kein Fingerabdruck, keine DNA. Er kommt aus dem Nichts – doch plötzlich ist er da.[...] Bei allen Kebabs herrschen Angst und Schrecken. Der Döner bleibt im Halse stecken, denn er kommt gerne spontan zu Besuch, am Dönerstand, denn neun sind nicht genug.” (Gigi und die braunen Stadtmusikanten: “Dönerkiller”, 2010)